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Statement zur Debatte über unsere Petition “Das M-Wort muss weg!” im Kulturausschuss des Stadtrates Halle (Saale)

Am 2. Juni 2021 war ein Vertreter unseres Bündnisses zur öffentlichen Anhörung im
Kulturausschuss von Halle (Saale). Dabei ging es erneut um den Antrag der CDU-Fraktion für eine
Stellungnahme des Stadtrates zur Kampagne “gegen das M-Wort”. Mit dem Antrag wurde versucht,
Rassismus in der Sprache und im Stadtbild von Halle zu verteidigen und weiter zu verankern.

Seit der Anhörung im Kulturausschuss sind einige Wochen vergangen. Es gab
kurzweilig Empörung über die rassistischen Sprachhandlungen eines Stadtrates, er
musste danach aus seiner Fraktion austreten, Lokalmedien zeigten ein wenig
Solidarität. Wir begrüßen das, aber es ist nicht genug.

Der Kulturausschuss ist ausschließlich weiß besetzt und spiegelt damit nicht
annähernd die Vielfalt unserer Gesellschaft wider. Teil dieses Gremiums ist die
extrem rechte und rassistische Fraktion der AfD. Aber auch die CDU-Fraktion, sowie
einzelne Stadträt*innen Fraktionen übergreifend vertreten Meinungen und Ansichten,
die an extrem rechte Ideologien anschlussfähig sind. Die Zusammensetzung des Stadtrates
repräsentiert lediglich die weiße Dominanzgesellschaft und verhindert einen kritischen
und konstruktiven Diskurs über strukturellen und institutionellen Rassismus.
Das ist einzelnen Stadträt*innen auch bewusst, denn am 5. Mai wurde vermehrt
darauf hingewiesen, dass keine von Rassismus-betroffene Person an der Diskussion beteiligt ist.

Dieses demokratische Gremium ist kein sicherer Ort an dem sich alle Menschen
gleichberechtigt einbringen und und politisch Einfluss nehmen können. Wie der
2. Juni 2021 deutlich gezeigt hat, wird die Menschenwürde von Schwarzen Menschen,
Indigenen Menschen, Menschen of Color (kurz: BIPoC) und migrantisierten
Menschen nicht geschützt und geachtet – viel mehr wird sie in Frage gestellt und
bewusst verletzt (wie durch die rassistischen Aussagen von Gernot Nette). Der
rassistische Vorfall wurde weder unterbrochen, noch sind der Redeführer oder andere
Stadträt*innen nach dem Redebeitrag interveniert. Eingegriffen hat die betroffene
Person selbst.

Wir sind darüber nicht überrascht. Die Sitzung im Kulturausschuss ist kein Einzelfall.
Die Person war darauf vorbereitet, genauso wie BIPoC in unserer Gesellschaft
ständig vorbereitet sein müssen, sich und ihre Würde zu verteidigen.
Rassistische Sprache re_traumatisiert. Das kostet Kraft – aber wir lassen uns davon
nicht unsere Worte, unsere Stimme, unsere Forderungen nach einer gerechteren
Gesellschaft nehmen. Wir bleiben laut und kämpferisch! Für eine sichere und befreite
Gesellschaft für alle!

Rassistische Sprache Abschaffen! Jetzt und überall!

Offener Brief des Bündnisses M-Wort abschaffen!

Das Bündnis M-Wort abschaffen! fordert eine konsequente und schnelle Umbenennung aller MApotheken in Sachsen-Anhalt und darüber hinaus die Abschaffung des Wortes aus dem öffentlichen Raum. Setzen wir ein wichtiges und weitreichendes Zeichen gegen Rassismus!

Wenn weiße deutsche Politiker*innen demokratischer Parteien die Verwendung des M-Worts verteidigen, verteidigen sie ganz klar auch rassistische Traditionen! Damit wird die Demokratie bedroht und die Gesellschaft gespalten.

Das M-Wort und die Apotheken

Im November 2020 startete das Bündnis M-Wort abschaffen! eine online Petition. Ziel dieser Petition ist es, dass sich alle M-Apotheken in Sachsen-Anhalt einen neuen diskriminierungsfreien Namen geben. Aktuell haben mehr als 850 Personen die Petition unterzeichnet. Hintergrund der Forderung ist, dass durch die Namen dieser Apotheken rassistische Begriffe im öffentlichen Raum präsent sind und diskriminierende Vorstellungen vor allem über Schwarze Menschen reproduzieren und verfestigen. Das Bündnis setzt sich dafür ein, dass diese abgeschafft werden. Es geht dabei nicht um eine persönliche Kritik an den Inhaber*innen der Apotheken, sondern um die Kritik an den Namen und Bildern, die sie verwenden. In der öffentlichen Debatte wird häufig argumentiert, dass die Herkunft des Wortes im Zusammenhang mit dem Schwarzen Heiligen Mauritius stehe. “Doch genau wie bei anderen Rechtfertigungsstrategien handelt es sich hierbei um einen Vorwand, um rassistische Sprache zu legitimieren und ändert nichts an der abwertenden und diskriminierenden Konnotation“ so eine Sprecherin des Bündnisses. Wenn Betreiber*innen von Apotheken mit der Namensgebung dem Heiligen Mauritius Respekt zollen möchten, könnten sie eben jenen Namen verwenden; es gibt bereits Mauritius und Sankt Mauritius Apotheken. Es ist also möglich, den Heiligen Mauritius zu ehren, ohne dabei rassistische Sprache zu verwenden sowie das herabwürdigende Bild des dienenden halbnackten Schwarzen Mannes zu reproduzieren. In den vergangenen Jahrzehnten gab es immer wieder Forderungen von Schwarzen Aktivist*innen, die auf die abwertende Bedeutung des Wortes aufmerksam machten und sich für diverse Umbenennungsaktionen im öffentlichen Raum einsetzten. Zum Teil mit Erfolg: In Kiel und Wien wurden Apotheken umbenannt; In Kiel findet man nun beispielsweise die “Raths Apotheke am Brauereiviertel”. Diese Beispiele zeigen, dass positive Veränderungen möglich sind. Es liegt nicht am Können, sondern am Wollen.

Das M-Wort und seine rassistische Bedeutung

Die genaue Wortherkunft des M-Wortes ist in der Wissenschaft umstritten. Vermutlich leitet sich das deutsche M-Wort vom griechischen moros, was für töricht und einfältig steht und/oder vom lateinischen Wort maurus ab, was so viel bedeutet wie dunkel und/oder afrikanisch. Unumstritten und zentral für die heutige Bedeutung des Wortes ist seine rassistische und kolonialhistorische Prägung, die sich besonders darin spiegelt, welche Bilder das MWort in den Köpfen von Menschen entstehen lässt. Er hat nichts mit der empowernden und selbstbewussten Selbstbezeichnung Schwarz zu tun und wird von Großteilen der Schwarzen Community in Deutschland abgelehnt.
Das M-Wort ist kein neutraler historischer Begriff, da Sprache generell nicht neutral und wertfrei ist. Sie unterliegt einem dynamischen Wandel, genau wie unsere Gesellschaft, die sie verwendet und hervorbringt. Sprache ist Ausdruck von Macht und Dominanz und insbesondere im politischen wie im historischen Kontext achtsam zu verwenden. Der Rückgriff auf die Geschichte lässt völlig außer Acht, dass der Begriff M erstens willkürlich als Fremdbezeichnung für verschiedene Menschen aus Afrika – ohne die Heterogenität der Herkunft dieser zu erkennen, anzuerkennen und sprachlich auszudrücken – angewandt wurde und zudem mit der Selbstbezeichnung dieser Menschen nichts zu tun hatte/hat. Hinzu kommt, dass die Bezeichnung M nie neutral oder wertschätzend verwendet wurde. Das ist vor allem deshalb nicht möglich gewesen, weil dieser in einem kolonialrassistischen Kontext, im Zusammenhang mit dem europäischen Versklavungshandel sowie aus einer weißen dominanten Machtposition heraus verwendet wurde. Konkret heißt das: weiße deutsche Menschen erfanden einen abwertenden Begriff für Schwarze Menschen. Vor allem Schwarze Bedienstete wurden so angesprochen.

Warum die öffentliche Debatte rassistisch ist

Es ist erschütternd, dass 2021 noch immer darüber diskutiert wird, ob das M-Wort tatsächlich rassistisch ist oder nicht. Anstatt endlich in der Auseinandersetzung mit Rassismus voranzukommen und reale Veränderungen voranzutreiben, müssen Schwarze Menschen immer und immer wieder bei null anfangen und ihre Daseinsberechtigung in Deutschland sowie ihre diskriminierungsfreie Teilhabe an der Gesellschaft rechtfertigen. Dass das M-Wort rassistisch ist, wurde bereits ausgiebig erklärt und beleuchtet und trotzdem steht die Frage, ob das Wort rassistisch ist, weiterhin im Fokus. Stattdessen sollte man einen Schritt weitergehen und diskutieren, wie ein rassismuskritischer gesellschaftlicher Wandel konkret erreicht werden kann. Bei vielen Rassismusbetroffenen entsteht durch diese Debatten der Eindruck, dass sie als Menschen nicht respektiert, mit ihren Forderungen nach Anerkennung nicht ernstgenommen und zudem als BIPoC nicht als Teil der deutschen Gesellschaft anerkannt werden. In der öffentlichen Debatte um Umbenennungsaktionen zeigt sich immer wieder, dass vor allem der rassistischen Argumentation gefolgt wird und zum Beispiel auf weiße Historiker*innen verwiesen wird, die die diskriminierende Bedeutung des M-Worts abstreiten und herunterspielen. Wissenschaft ist nicht neutral, deshalb ist auch die Argumentation kritisch zu sehen, die die Wortherkunft verharmlost und den rassistischen und kolonialen Kern des Begriffs ignoriert. Wer an rassistischer Sprache festhält, hält auch an rassistischen Traditionen fest.

Darum fordern wir die Abschaffung des M-Wortes! Unterstützt uns, damit das M-Wort endlich aus dem öffentlichen Raum verschwindet! It‘s time for change!

www.change.org/p/landtag-sachsen-anhalt-das-m-wort-muss-weg-alle-m-apotheken-insachsen-anhalt-umbenennen

Wer ist das Bündnis M-Wort abschaffen?

Das Bündnis M-Wort abschaffen! ist ein Zusammenschluss von rassismuskritischen politischen Aktivist*innen aus Sachsen-Anhalt und Niedersachsen. Als Bündnis machen wir auf rassistische Worte, Namen, Bezeichnungen und Bilder im öffentlichen Raum aufmerksam. Wir möchten damit eine kritische Auseinandersetzung mit dem tief verwurzelten Rassismus in der weißen deutschen Gesellschaft anregen und eine nachhaltige Veränderung innerhalb dieser anstreben.

Unterzeichner:innen

AK Antira Magdeburg
Anton Wilhelm Amo Bündnis Halle/Saale
Amnesty International Hochschulgruppe Magdeburg
Antirassistisches Netzwerk Sachsen-Anhalt
Bündnis Studierende gegen Rechts Magdeburg
catcallsofmagdeburg
Common Voices Radio- Radio Corax
Decolo-Nice
Ende Gelände Halle
Fachschaftsrat der Medizinischen Fakultät Magdeburg
Feministisches Kollektiv Magdeburg
Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt e.V.
halle postcolonial
Initiative Bürger aus Burkina Faso
Kollektiv SXD
Kritische Medizin Magdeburg
Landesnetzwerk Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt (LAMSA) e.V.
MediNetz Magdeburg e.V.
Mobile Opferberatung
Offene Linke Liste Magdeburg
platz*machen e.V.
Seebrücke Halle
Seebrücke Magdeburg
Studierendenrat: Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Sozialistische Jugend – Die Falken, Kreisverband Halle (Saale)
unSichtbar – Netzwerk für Women* of Colour Magdeburg

Henriette Quade Landtagsabgeordnete DIE LINKE Sachsen-Anhalt
Igor Matvijets SPD Halle
Sebastian Striegel Landesvorsitzender BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt